Digitalisierung im Produktionsverbindungshandel
Praktisch kein Tag vergeht, an dem nicht der Begriff Digitalisierung in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Jürgen Rönsch wollte für die Redaktion Industriebedarf von Andreas Oemkes, Geschäftsführer der EXACT GmbH & Co. KG Präzisionswerkzeuge in Remscheid, wissen, welche Rolle das Thema in der Praxis des Produktionsverbindungshandels spielt und wie sich das Unternehmen mit den Kernbereichen Gewinden, Bohren, Senken und Entgraten darauf einstellt.
Industriebedarf: Herr Oemkes, alle reden über Digitalisierung und Verlagerung der Prozesse in das Internet. Wie erleben Sie als Geschäftsführer eines europaweit führenden Herstellers von Präzisionswerkzeugen das Thema in der Praxis?
Andreas Oemkes: Digitalisierung, Internet und E-Commerce spielen im täglichen Geschäftsbetrieb eine wichtige Rolle. Nach meiner Erfahrung hat der Begriff Digitalisierung aber eine zentrale Herausforderung. Er ist zu generalistisch und zu übergreifend. Denn schaut man sich die Praxis der E-Mail-Kommunikation oder die der Online-Rechnungsabwicklung an, so muss man sagen, dass die Digitalisierung sich hier schon weitestgehend durchgesetzt hat. Blickt man jedoch auf Bereiche wie E-Commerce, Online-Marketing oder E-Recruiting ist die Entwicklung aus meiner Sicht bei Weitem noch nicht so fortgeschritten.
IB: Wie sehen Sie selbst Ihr Unternehmen im Bereich Digitalisierung?
Oemkes: Ich denke, Digitalisierung spielt bei uns schon eine große Rolle. Der Austausch mit unseren Abnehmern und Partnern folgt weitestgehend papierlos, gleiches gilt für Bestellungen und die Abwicklung von Rechnungen. Fortschrittlich sind wir sicherlich auch, was das Thema IT-basierte Verwaltung angeht. Schon seit vielen Jahren nutzen wir ein modernes ERP-System, über das wir das gesamte Kunden-Stammdatenmanagement, die Lagerverwaltung sowie die Logistik abwickeln. Und auch beim Thema Artikelstammdaten müssen wir uns sicherlich nicht verstecken. Durch eine sogenannte PIM-Software sind wir in der Lage, das Datenmanagement und damit auch die Katalogerstellung stark zu automatisieren und zu beschleunigen.
IB: Sie haben einen sehr guten Einblick in den Produktionsverbindungshandel. Wie sehen Sie dort den Fortschritt der Digitalisierung und wo passiert aktuell am meisten?
Oemkes: Ich glaube, es gibt kaum ein Unternehmen, das sich nicht intensiv mit dieser Thematik beschäftigt und überlegt, mit welchen Maßnahmen es schneller und effizienter werden kann. Auch wir tun das quasi täglich. Die Herausforderung liegt jedoch in der richtigen Strategie und Priorisierung der Möglichkeiten. Nehmen Sie nur als Beispiel die Kommunikation mit dem Kunden. Natürlich wäre es heute möglich, Vertriebsgespräche komplett online, also über Video-Konferenz-Systeme zu führen. In der Realität zeigt sich jedoch, dass der persönliche Austausch mit dem Kunden sowie eine individuelle Beratung so wichtig wie eh und je ist. Hier gilt es also abzuwägen, welche Vorgehensweise beziehungsweise Strategie zielführend für das Unternehmen ist.
IB: Sie haben es zuvor schon angesprochen. Das Feld der Digitalisierung ist riesengroß. Woher bekommen Sie Ihre Informationen?
Oemkes: Das sind zum einen Informationen aus dem Internet, aus Seminaren und Veranstaltungen, die man besucht, sowie entsprechende Fachartikel, die man liest. Wichtig ist aber meiner Meinung nach insbesondere der aktive Austausch mit Fachleuten, die bereits über spezifische Kenntnisse in den jeweiligen Themenbereichen verfügen. Wir arbeiten darum schon seit geraumer Zeit erfolgreich mit dem Konzept, einerseits das notwendige Know-how im eigenen Unternehmen aufzubauen, andererseits kooperieren wir mit externen Spezialisten und Dienstleistern. Der Fokus liegt hierbei auf Pragmatismus und unser Wissen um die Anforderungen der Branche.
IB: Wenn Sie nach vorne schauen, wie wird sich der Produktionsverbindungshandel durch die Digitalisierung in den nächsten Jahren verändern?
Oemkes: Ich denke, die wichtigste Veränderung wird sich im Bereich Vertrieb und der Absatzorganisation ergeben. Die Bedeutung von Online-Shops und Marktplätzen wird unweigerlich zunehmen, gleiches gilt für digitale Dienstleistungen, welche die Arbeitsprozesse des Kunden nachhaltig erleichtern. Der Faktor Zeit spielt dabei eine zentrale Rolle und wird immer mehr ein elementares Entscheidungskriterium. Lösungen, die diese Anforderungen berücksichtigen, werden also zu den zentralen Entscheidungs- und Differenzierungsfaktoren zählen. Verändern wird sich meines Erachtens zudem die Art und der Inhalt der Beratung. Schon heute erleben wir, dass unsere Kunden sehr gut vorinformiert und vorbereitet sind. Die Qualität der Kundenbetreuung, die heute schon einen wichtigen Erfolgsfaktor darstellt, wird an Bedeutung noch zunehmen. Und das heißt am Ende doch wieder: Entscheidend bleibt bei aller Digitalisierung der Mensch.